17.05.2019

Reiseleiterinterview: Reiseleiter Charbal im Libanon


Christoph Albrecht mit Reiseleiter in der Stadt Baalbek

So lieber Charbal, wir sind jetzt heute gemeinsam schon ein bisschen unterwegs gewesen und haben uns ein paar Orte im Libanon angeschaut. Aber vorneweg würde mich noch interessieren: Warum sollte man denn eigentlich in den Libanon kommen?

Charbal: Der Libanon ist einer der besten Orte, welche man besichtigen kann. Wir haben hier alles, das Meer, Gebirge, Ebene, einfach alles was man in einem Land sucht. Wir haben viele verschiedene Zivilisationen auch schon vor der römischen Zeit bis in die Bronze Zeit und 10.000 Jahre zuvor. Wir haben römische Ruinen, die größte römische Tempelanlage der Welt: Die Tempelanlage von Baalbek, Überreste von Gebäuden aus islamischer Zeit, aus der Mittelalterzeit und auch christliche Kirchen.

Meeresburg in Sidon

Was ist denn, wenn du sagst die Vielfalt ist so groß, dass es sich auf jeden Fall lohnt in den Libanon zu reisen, geschichtlich dein Highlight-Ort? Welcher würdest du sagen, ist auch für dich nicht nur irgendein Ort sondern ein ganz besonderer?

Charbal: Wir haben im Grunde zwei beziehungsweise drei Orte. Zuerst einmal das Land der Phönizier. Die Phönizier haben in unserer Geschichte, viel für uns gegeben. Beispielsweise waren sie diejenigen, die unser heutiges Alphabet entwickelt haben. Sie haben unsere Handelsstraßen gebaut, den Schiffbau zu uns gebracht, und alles was man wegen den Handelsstraßen bei uns nutzt. Dazu kommt, dass im Alten Testament viel über den Libanon erzählt wird. Über die Zederbäume des Libanons, den heiligen Baum. Auch Jesus war mehrmals im Süden des Landes z.B. in Sidon. Generell ist viel unserer alten Geschichte im Alten Testament aufgeschrieben, sowie die Stadt Kana. Dann kommt das große Gebäude aus der römischen Zeit. Wir haben die größte römische Anlage der Welt, den größten und besterhaltenen Tempel: den Tempel von Baalbek, mit dem größten Stein.

Die Küste von Beirut bei Sonnenuntergang

Wir waren ja heute dort aber vielleicht sagst du nochmal ganz kurz, wo das genau ist. Ich denke nicht alle in Deutschland wissen wo genau sich die größte römische Tempelanlage der Welt befindet.

Charbal: Die Tempelanlage befindet sich in Baalbek. Baalbek ist im Osten des Libanons neben dem Anti-Libanon-Gebirge. Das heißt neben dem östlichen libanesischen Gebirge, denn wir haben zwei Gebirgsketten. Einmal den westlichen Teil und einmal den östlichen Teil, Anti-Libanon. Baalbek ist am Fuße des Anti-Libanon-Gebirges und in der Mitte von der Beeka-Ebene. Von dort ist es nicht weit nach Beirut. In 1:30 Stunde ist man dort und kann die Tempel von Baalbek sehen. Natürlich ist die Besichtigung in einer kleinen Gruppe wie bei SKR deutlich angenehmer.

Arabische Kaffekanne

Du hast jetzt gesagt, vorhin auch schon, dass es nicht nur um die Kultur geht, sondern auch um die Landschaft und sicherlich auch um die Menschen. Welche Rolle spielt die Gastfreundschaft welche man hier so hautnah erlebt, in einem Land das so geprägt ist von völlig unterschiedlichen kulturellen Einflüssen bis zum heutigen Tage? Was macht denn für dich die libanesische Gastfreundschaft aus oder anders gefragt, warum seid ihr denn überhaupt so gastfreundlich?

Charbal: Das ist unser Lebensmodell, die Gastfreundschaft. Für uns ist das ein ganz großer Teil unserer Kultur, die wir zeigen müssen. Es ist uns wichtig, dass unsere Gäste immer glücklich sind. Wir haben eine alte Geschichte, die unsere Gastfreundschaft gut zeigt. Die Geschichte handelt von Menschen, die fast nichts zu essen hatten. Sie bekamen zuhause Besuch von einem Gast und brachten von irgendwo etwas zu essen her, um es dem Gast zu geben, sodass es ihm gut geht. Das sind unsere Traditionen. Als Libanese mögen wir besonders die Touristen und die Europäer.

Ruine von Baalbek

Gerade sagtest du, dass auch gerade du als Libanese die Touristen magst, natürlich bist du ja auch Reiseleiter. Ich sag mal so, der Tourismus fängt ja jetzt gerade erst wieder so langsam an mehr zu werden. Auch dass europäische Gäste aus anderen Regionen der Welt den Libanon wiederentdecken. Wie lange bist du denn jetzt schon dabei? Und wie bist du überhaupt dazu gekommen, Reiseleiter zu werden?

Charbal: Das ist eine alte Geschichte, als Kind bin ich mit meinem Vater immer in die Tempel gekommen. Damals war schon Bürgerkrieg, aber trotzdem gab es Touristen, die in unser Land gereist sind. Es waren viele Missionare, sowie zum Beispiel vom Roten Kreuz. Ich bin mit meinem Vater in die Tempel gelaufen, um dort zu spielen. Die Tempel von Baalbek waren mein Spielplatz und generell ist die Geschichte von meiner Familie mit den Touristen sehr eng verbunden. Mein Großvater war auch der erste Reiseleiter in ganz Libanon und natürlich auch in meiner Familie und das bereits 1932. Mein Vater ist nach seinem Vorbild dann auch Reiseleiter geworden, dem ich dann schließlich auch gefolgt bin.

Ruinen der Zitadelle von Anjar

Deine Geschichte ist wirklich super beeindruckend. Ich meine das ist ja schon jetzt eine über 80-jährige Familientradition, als Reiseleiter im Libanon unterwegs zu sein. Was würdest du denn unseren deutschen Gästen mit auf den Weg geben, die vielleicht noch ein bisschen Sorge haben, in den Libanon zu kommen? Wir sitzen hier gerade gemeinsam 2 km vor der syrischen Grenze in Anjar. Was würdest du denen mitgeben, als jemand der hier tagtäglich lebt und die Gäste aus der ganzen Welt begrüßt?

Charbal: Ja genau, wir sitzen hier vor der syrischen Grenze in Anjar, nun werde ich dir hier erzählen, was ein paar ältere deutsche Touristen zu mir gesagt haben als sie eine Reise durch den Libanon unternommen haben. Sie waren hier in 2014, das war die schlimmste Zeit für Reisen in den Nahen Osten. Ich war wirklich überrascht, dass sie gekommen sind. Sie haben alles besucht. Auch die Städte die damals auf der Karte rot markiert waren. Ich habe die beiden gefragt, ob sie keine Angst haben hierher zu kommen in solch einer Zeit. Die ältere Dame hat mir geantwortet und gesagt, dass dir überall auf der ganzen Welt etwas passieren kann. Sie hat immer zu ihrem Ehemann gesagt, dass wenn der Reiseleiter mitfährt, kein Risiko besteht, weil auch er nach Hause zurück will.

Kalender

Super, jetzt da du uns ja quasi davon überzeugt hast, in den Libanon zu reisen, wann ist die beste Reisezeit dafür? Oder gibt es überhaupt die beste Reisezeit?

Charbal: 9 Monate lang haben wir die beste Reisezeit für den Libanon. Die ist außerhalb des Dezembers, Januars und Februars. Denn in diesen drei Monaten gibt es Schnee wodurch es sein könnte, dass einige Pässe gesperrt sind. Im ganzen Jahr haben wir über 300 Sonnentage. Im Juli und August kann es im Libanon auch sehr heiß werden, der Rest vom Jahr ist jedoch optimal.

Reiseleiter in Baalbek

Ja lieber Charbal, jetzt sage ich vielen lieben Dank für deine Zeit, für das Interview und ich wünsche dir ganz viel Spaß mit unseren Gruppen, die ja jetzt hoffentlich zahlreich in den Libanon kommen werden. Die nächste Gruppe kommt ja schon in ein paar Tagen hierher und wird mit dir gemeinsam den Libanon entdecken.

 


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