Iran – ein Land zwischen Tradition und Moderne (Teil 2)
Yazd ist die Stadt der Zorastiker, eine Glaubensrichtung die sagt, dass der Körper nach dem Tod den vier Elementen zurückgeführt werden müssen. Erde, Feuer, Wasser, Luft. Vor der Stadt stehen die Türme des Schweigens, in ihnen ist ein Loch, in welches die Angehörigen ihre Toten gelegt haben. Die Türme werden schon lange aus hygienischen Gründen nicht mehr gebraucht, sodass ich ganz unbesorgt einen der Türme besichtigen kann. Ca. 15 Fußminuten dauert es bis ich oben bin, aber da wir mitten in der Wüste sind, fühlen sich diese Minuten unendlich an. Aber der Blick belohnt für die Anstrengung, von hier aus habe ich eine perfekte Sicht über die Wüstenstadt Yazd. Danach geht es zum Feuertempel der Zorastiker, in diesem Tempel brennt eine Flamme, die für das ewige Leben steht. Auch hier sind viele Iraner, die einen Ausflug hierher unternehmen, es scheint förmlich so als seinen die Iraner ihre eigenen besten Touristen. Am Abend gehe ich in ein traditionelles Zurkaneh Haus. Zurkaneh ist eine Kraftsportart, die nur von Männern ausgeübt werden darf. In verschiedenen Übungen werden frühere Kampftechniken in Kraftsport umgesetzt. Es ist sehr laut, aber auch sehr interessant. Nach ca. einer Stunde verlasse ich das Krafthaus und gehe durch die Altstadt von Yazd. Die Stadt zeichnet sich aus durch die sogenannten Windtürme, die Klimaanlage von früher. Es sind hohe Türme mit langen dünnen Fenstern ohne Glas. Direkt unter dem Turm befindet sich ein Wasserbecken, die heiße Luft strömt in den Turm und zirkuliert mit dem Wasser im Becken. Dadurch herrscht in der ganzen Stadt und den Häusern ein angenehmes Klima. Aber auch in Yazd gibt es diverse Tee-Oasen, in denen man es sich bequem machen kann. Man merkt sofort: Ein warmer Tee wirkt manchmal Wunder bei so einer Wärme.
Weiter geht es in die Berge nach Abyane ein altes Bergdorf, welches sich dadurch auszeichnet, dass es komplett rote Steinhäuser hat und hier wird noch eine alte traditionelle Kleidung getragen. Auch hier finden wir einige iranische Touristen. Ich setzte mich auf eine Bank am „Hauptplatz“ der Stadt. Zwei Kinder wollen gerade Wasserbomben befüllen und schaffen es nicht. Schon merke ich, dass ich mittendrin bin und mich mit den Kindern mit Hand und Fuß unterhalte. Sofort ist eine Traube von Menschen um uns herum. Sie heißen mich herzlich willkommen und und fragen, wie es mir im Iran gefällt. Auch hier muss ich nach einer Pause wieder aufbrechen. Aber die Tage vergehen wie im Flug.
Weiter geht es in eine weitere Wüstenstadt Martina Bad, die sehr unbekannt ist. Da wir hier jedoch von einer Familie zum Abendessen eingeladen wurden, übernachten wir in der Nähe der Familie in einem Wüstencamp. Die Familie wartet schon auf uns, die Dame des Hauses hat den ganzen Tag gekocht und die beiden Kinder haben fleißig mitgeholfen. Es wird traditionell ein Tuch auf den Boden gelegt und gedeckt. Man sitzt im Schneidersitz und nimmt sich kleine Portionen auf seinen Teller. Von diversen Salaten, Hammel und Kebab bis selbstgebackener Pide fehlt es hier an nichts. Mir wurde auch direkt angeboten, dass ich das Kopftuch abnehmen kann, da man in der Familie hinter verschlossenen Türen das gerne so macht. Mit vollem Bauch falle ich ins Bett im Wüstencamp. Am Morgen muss ich fit sein, denn ein Kamelritt steht an. Um 6 Uhr klingelt der Wecker, wir möchten früh raus, um den Sonnenaufgang mitzuerleben. Hoch auf dem Kamel blicke ich über weite Dünen und stelle mit Erstaunen fest, wie vielseitig dieses Land doch ist. Gestern in den Bergen, davor in Isfahan eine blühende Oasenstadt und nun heute inmitten Sanddünen.
Nach ca. 2 Stunden sind wir zurück auf den Weg nach Teheran.
Während der Fahrt sehen wir alle 30 km eine Karawanserei und man fühlt sich auf den Spuren der Seidenstraße. 30 Km ist die Entfernung, welche eine Karawanserei zurückgelegt hat pro Tag. Nach einer sehr langen Fahrt bin ich wieder im Getümmel der 10 Millionen Menschen Metropole; es ist definitiv ein anderes Gefühl hier. Die Menschen sind hektischer und schenken Touristen nicht viel Beachtung. Ich gehe runter in die Metro, das schnellste Mittel, um hier von einem Ort zum anderen zu gelangen. Mein Reiseleiter Davood erklärt mir, dass es ein Frauenabteil gibt, in dem nur Frauen rein dürfen und ein gemischtes Abteil für alle. Die erste Fahrt mache ich mit ihm im gemischten Abteil, aber schon jetzt wird mir klar, warum es zwei verschiedene Abteile gibt. Es ist unfassbar voll und man wird förmlich umgerannt. Ein Iraner steht im Anzug und mit Aktentasche neben mir, er schaut recht grimmig drein, schaut mich an und sagt nur „ Welcome to Iran.“ Ich bin einfach nur fasziniert. Alle weiteren Fahrten setze ich im Frauenabteil fort. Hier finde ich zumindest immer einen Sitzplatz.
Das letzte Abenteuer ist die Zugfahrt nach Mashhad. Hier ist das größte Heiligtum der Schiiten, der Schrein des Imam Reza. Der Komplex ist so groß wie vier Fußballfelder. Ich darf hier nur mit einem Tschador das Heiligtum betreten, dies soll die hohe Gläubigkeit der Pilger darstellen. Der Tschador heißt übersetzt Zelt und genauso fühle ich mich auch. An das Kopftuch habe ich mich mittlerweile gewöhnt und es war auch sehr hilfreich gegen die Hitze, aber der Tschador wird nicht mein liebstes Kleidungsstück. Ich bin auch erst damit beschäftigt, den Tschador richtig zu tragen, da er im Wind immer wieder auf weht. Wir bekommen beim Eingang ein Buch geschenkt „ Die Rolle der Frau im Islam“ ein Lacher geht durch die Runde. Ich bin fasziniert von der Größe, eine riesige Teppichlandschaft erstreckt sich vor mir und es lässt sich erahnen, wie viele Menschen hier Platz finden. Zum Schrein selber darf ich als Nicht-Moslem nicht, aber die Eindrücke, die ich sammeln durfte, waren schon ausreichend. Ein letztes gemeinsames Abendessen und um 0 Uhr geht es zum Flughafen von Mashhad und 2 Stunden später sitze ich in der Germania in Richtung Hamburg.
Kaum angekommen im Iran, bin ich schon wieder weg. Ich brauchte ein paar Tage, um diese ganzen Eindrücke einordnen zu können. Ich lasse die Strecke Revue Passieren: Teheran- Fin Garten - Isfahan - Yazd - Abyane - Martina Bad - Teheran - Mashhad. Ein straffes Programm mit wenig Schlaf und viele Autostunden. Erst im Nachhinein ist mir erneut bewusst geworden, dass ich ein Land bereist habe, welches ca. 4 ½ Mal größer ist als Deutschland. Diverse Klimaunterschiede hatte von 25°C in Teheran bis zu 45° C in Yazd. Aber am erstaunlichsten schien mir die unglaubliche Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit, mit der man überall empfangen wurde. Man wurde als Mensch und nicht als Tourist wahrgenommen. Ich bin mir sicher, dass der Iran mich nicht das letzte Mal gesehen hat. Im Gegenteil: Ich möchte mehr von diesem faszinierenden Land erleben und die nächste Reise ist bereits in Planung.
- Ein Reisebericht von Katrin Hübler, Projektmanagerin bei SKR