Interview mit Matthias Schmidt
Unser Studienreiseleiter Matthias Schmidt beantwortete uns einige Fragen zu seiner vorübergehenden Wahlheimat, dem Iran. Als besonders bemerkenswert empfindet er es, dass die Iraner sich immer ihre freundliche Offenheit gegenüber Fremdem bewahrt haben.
SKR: Du hast 2011, 2012 und 2014 in Teheran gelebt. Was ist im Iran so ganz anders als bei uns in Deutschland?
Matthias Schmidt: Bereits bei meinem ersten Aufenthalt war ich – und bin es immer wieder – überrascht, wie viele Dinge im Iran zunächst einmal so gar nicht anders erscheinen als bei uns in Deutschland. Die iranischen Großstädte sind sicher und modern – es gibt ausgezeichnete Krankenhäuser, Universitäten, eine Fülle an Kinos, gut ausgebaute Metro-Netzwerke und man kann alles kaufen, wonach das Herz verlangt. Die meisten IranerInnen sind sehr offenherzig, fußballverrückt und iranische Familien verbringen ebenso gerne Zeit zusammen wie deutsche. Ich könnte noch viele weitere Beispiele anführen. Etwa, dass junge Menschen im Iran genauso nach Momenten der Vergnügung, aber auch nach Perspektiven in einer zunehmend durch die Globalisierung beeinflussten Arbeitswelt suchen wie in Deutschland.
Der Unterschied zwischen hier und dort liegt in vielen Dingen eher im Detail. Bei einem zweiten Blick fällt zum Beispiel auf, dass iranische Städte oft anders strukturiert sind als deutsche. Gleich einem Basar, befindet sich in jedem Stadtteil eine andere Ansammlung von Gewerbe. In einem Gebiet finden sich dutzende Woll- und Garngeschäfte, in einem anderen reiht sich dafür ein Hochzeitskartenverkäufer an den nächsten. Oder man bemerkt, dass iranische Mütter einen ganz besonderen Status in der Familie besitzen – man könnte das wohl am ehesten mit dem Bild vergleichen, dass wir in Deutschland von italienischen Müttern besitzen. Schließlich fällt auf, dass unter den gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Faktoren Politik und Religion präsenter im Alltag sind als bei uns. Das beste Beispiel ist ja das Gebot für Frauen, ein Kopftuch zu tragen. Der größte Unterschied zwischen Iran und Deutschland ist wohl gerade dieser, dass die meisten Menschen entweder gar nicht oder außerordentlich an Politik interessiert sind.
SKR: Was macht den Iran für dich einzigartig?
Matthias Schmidt: Wie sich die Menschen trotz des Spannungsverhältnisses zwischen Politik und Religion, das das Land in den letzten Jahrzehnten so sehr geprägt hat, ihre Herzlichkeit untereinander und Offenheit Fremdem gegenüber bewahrt haben – das empfinde ich als einzigartig im Iran.
SKR: Der märchenhafte Imam-Platz in Isfahan, die beeindruckenden Ruinen von Persepolis, die verwinkelte Altstadt von Yazd – bei so vielen schönen Plätzen möchten wir wissen, was ist dein ganz persönlicher Lieblingsort?
Matthias Schmidt: Tatsächlich habe ich nicht den einen Lieblingsort im Iran. Jeder Ort hat etwas Eigenes. Isfahan bietet mit seinen zahlreichen Plätzen und Parkanlagen, Kaffee- und Teehäusern fast schon mediterranes Flair und ist von allen iranischen Städten meiner Ansicht nach die europäischste. Yazd ist ein Ruhepol. Ein einziger Kontrast zwischen der Farbe der Wüste und dem Blau des Mittagshimmels. Teheran wiederum erscheint auf den ersten Blick zwar einfach nur groß, laut und voll. Gleichwohl ist es für mich eine besondere Stadt. Hinter all dem Beton und Asphalt verändert sich das Leben ständig, verbirgt sich das kreative und politische Zentrum des Landes. Ich mag die große Leere im Zentrum des Landes, die Gebirge im Norden, die Schluchten, die sich im Süden vom iranischen Hochland bis zum persischen Golf erstrecken und die weitläufige Weidelandschaft im Nordwesten. Es gibt für mich einfach noch immer zu viel zu entdecken, um mich auf einen Lieblingsort festzulegen.